…
Peter und ich haben uns 1968 auf der Geburtstagsfete eines gemeinsamen Freundes kennengelernt. Es war Sommer, wir hatten gerade unser Abitur hinter uns und genossen die freie Zeit bis zum Beginn des Studiums. Ich erinnere mich noch genau. Es war ein wunderschöner Sommerabend und wir feierten in einem großen Garten. Auf der Terrasse war ein Buffet aufgebaut, dort gab es eine Vielzeit selbst zubereiteter Salate, es wurde auch gegrillt und jeder, ob nun Vegetarier oder nicht, kam dort auf seine Kosten.
Überall auf der Wiese saßen die Leute, zumeist in kleinen Grüppchen. Sie spielten Gitarre und sangen, lachten, redeten und diskutierten und träumten von einer besseren Welt. Peter saß an einen Baum gelehnt und lauschte der Musik und den Grillen, die ihr eigenes Konzert zum Besten gaben. Er wirkte in sich gekehrt und nachdenklich, und er war mir sofort sympathisch. Ich setzte mich einfach zu ihm, und wir lauschten gemeinsam der Musik. Nach einer gefühlten Ewigkeit brach ich das Schweigen und fragte ihn, ob wir uns nicht etwas zu essen holen sollten. Er stimmte zu, und so gingen wir zum zum Essplatz und versorgten uns. Andreas, das Geburtstagskind, wurde kräftig gefeiert. Er legte eine Tonkassette ein, und nacheinander erklangen all die Songs, die wir damals so sehr liebten. Unsere Hymne war „San Francisco“ von Scott Mc Kenzie, nicht zu vergessen natürlich Joan Baez und Bob Dylan, aber auch die Musik der Doors, Joe Cocker, The Who und viele andere. Die meisten von uns sangen mit, summten vor sich hin oder lauschten verträumt. Ein süßlicher Geruch lag in der Luft, der ganz offensichtlich daher rührte, dass nicht nur Tabak geraucht wurde.
Es war eine Zeit des Aufbruchs und des Ausbruchs. Wir wollten nicht mehr so leben, wie unsere Eltern. Wir wollten nicht eingesperrt bleiben in bürgerlichen Tabus, patriarchalischen Strukturen, enger Sexualmoral, und dem Materialismus, dem die Wohlstandsgesellschaft frönte. Wir strebten nach Authentizität und Ehrlichkeit, nach sinnvoller und kreativer Arbeit, nicht um ein Haus zu bauen und eine Kleinfamilie zu gründen, sondern um für eine bessere, gerechtere und friedliche Gesellschaft zu wirken. Unsere Vorbilder waren Buddha, Gandhi, Martin Luther King und all jene, die sich für Freiheit, Frieden und Liebe einsetzten.
Auch Peter und ich redeten und philosophierten in dieser Nacht viel über diese Dinge und kamen einander näher. Unsere Sympathie beruhte offensichtlich auf Gegenseitigkeit, und wir hatten beide dasselbe Hobby – Musik. Also vereinbarten wir, uns, mitsamt unseren Gitarren, am darauffolgenden Dienstag im Park zu treffen. Peter war schon da, als ich kam. Nachdem wir uns erst mal herzlich begrüßt hatten, setzten wir uns auf die Wiese und zupften auf unseren Gitarren herum. Zwar brachten wir unsere Gitarren in Einklang, aber irgendwie auch unsere Seelen, und dann begannen wir zu singen. Ich weiß nicht mehr, wie lang wir da saßen. Während wir Musik machten, vergaßen wir alles um uns herum, und eigentlich machte es keinen Unterschied, ob wir jetzt in San Francisco in einem Park saßen oder hier in Berlin. Natürlich träumten wir davon, mal nach San Francisco zu reisen und dort einen Sommer zu verbringen. Aber dazu brauchten wir erst mal das Geld, denn wir konnten ja schlecht über den großen Teich schwimmen...
Copyright @ All Rights Reserved