fiktive Geschichte

Zeitreise

 

Moritz umfasste seinen größten Schatz, den Stein, der es ihm ermöglichte, eine Zeitreise zu machen. Er musste ihn nur in die Hand nehmen und sich Ort und Zeit wünschen, zu dem er reisen wollte. Und jetzt wollte er nach Paris ins Jahr 1886. Er schaute noch einmal auf seine teure Schweizer Uhr, die ihm seine Frau zum fünfunddreißigsten Geburtstag geschenkt hatte. Jetzt war es 9.15 Uhr an einem wunderschönen Frühlingstag.

...

Moritz spazierte durch die Straßen, er genoss die Sonnenstrahlen und die Frühlingsstimmung und die Atmosphäre dieser Stadt. Nach einer Weile entdeckte er ein gemütliches Straßencafé, vor dem sich kleine, runde Tische befanden. Er setzte sich, bestellte einen Kaffee und beobachtete die Menschen und das geschäftige, bunte Treiben auf den Straßen. Am Nebentisch saß ein Herr mit Zylinder. Vor ihm, auf dem viel zu kleinen Tisch, lag ein großes Blatt Papier mit einer Skizze, die dieser grübelnd betrachtete.

Nachdem Moritz den Herrn eine Weile beobachtet hatte, versuchte er einen Blick von der Skizze zu erhaschen. Sie glich einem großen Strommasten. Moritz stand auf, ging zum Nebentisch und sagte: „Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Müller, Moritz Müller. Darf ich mich zu Ihnen setzen?“ Der Herr antwortete: „Mein Name ist Gustave Eiffel. Bitte setzen Sie sich doch.“ Moritz war natürlich sofort klar, dass es sich bei der Zeichnung um eine erste Skizze des Eiffelturms handelte, der 1886 ja noch nicht gebaut worden war. M. Eiffel war zwar versunken in seine Grübelei, schien aber einer Ablenkung gegenüber auch nicht abgeneigt zu sein. Nachdem sich die beiden Herren zunächst über Wirtschaft und Politik unterhalten hatten, kamen sie auf die Skizze zu sprechen.

M. Eiffel sagte: „Oh, ich träume davon, anlässlich der Weltausstellung und des hundertjährigen Jubiläums der Französischen Revolution im Jahr 1889 einen Turm zu bauen. Wissen Sie, es wird eine Ausschreibung geben. Ich habe schon mehrere Ideen und auch Vorschläge von Ingenieuren, aber entweder sind sie nicht realisierbar oder sie gefallen mir nicht. M. Eiffel starrte wieder auf die Skizze und grübelte. Moritz fragte, was ihm denn noch nicht gefiele, und M. Eiffel antwortete, dass ihm noch das Moment der Schönheit und eine künstlerische Dimension fehle. Vielleicht lag es ja daran, dass der Entwurf von Ingenieuren erstellt worden war. Moritz betrachtete die Skizze eingehender und sagte: „Warum bauen Sie keinen Rundbogen zwischen die Eckpfeiler? Das würde die Wirkung eines großen Eingangstores, z.B. zur Weltausstellung symbolisieren. Er hielt kurz inne und ergänzte, dass es vielleicht optisch besser wirken würde, wenn die Zahl der Plattformen verringert würde. Anschließend machte Moritz noch ein paar Vorschläge zu Verzierungen, und das Gesicht von M. Eiffel hellte sich mehr und mehr auf. Er zückte einen Bleistift und begann damit, Änderungen auf der Skizze einzutragen. „Das gefällt mir wirklich sehr gut!“, sagte M. Eiffel, und Moritz antwortete lächelnd, „das freut mich.“ Die Glocken von Notre-Dame läuteten, es war 12.00 Uhr mittags. „Nun muss ich mich aber verabschieden, denn meine Frau erwartet mich zum Mittagessen. Es war schön, Sie kennengelernt zu haben, M. Eiffel.“ Er wünschte ihm viel Glück für die Ausschreibung. M. Eiffel erhob sich ebenfalls, bedankte sich für die Anregungen und verabschiedete sich.

Moritz ging die Straße hinunter. Als er in eine kleine Nebenstraße bog, in der sich niemand sonst befand, umfasste er seinen Stein mit dem Ziel zurück nach Müllershausen ins Jahr 2016...

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